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Solararchitektur

Solarhäuser (1900 - 1969)

 

Der Begriff Solarhaus bzw. Sonnenhaus wurde hauptsächlich für jene Bauten geprägt, die sowohl ihren Warmwasser- als auch ihren Heizenergiebedarf mit Sonnenenergie decken. Für das mitteleuropäische Klima galt lange Zeit, daß die entsprechenden Energietechnologien nur unter äußerst günstigen Umständen dazu in der Lage sind, den Gesamtwärmebedarf alleine zu decken – soll die Sache nicht unerschwinglich teuer werden.

Wenn auch noch der elektrische Strom solarenergetisch hergestellt werden soll, ist an einem Zusammenschalten mit anderen Systemen (Wärmepumpen, Windräder, Wärmerückgewinnung, Methangas usw.) kaum vorbeizukommen. Die architektonische Zielprojektion entspricht dann auch schon eher der eines energetisch völlig autarken Hauses. Die ersten Pionierarbeiten beschränken sich – zumindest meiner gegenwärtigen Aktenlage nach – auf die USA.

Hier wird bereits im Jahr 1905 in einem Vorort von Schenectady, New York, durch Harry W. Hillman von General Electric ein experimentelles, vollelektrisches Demonstrationshaus gebaut, um zu beweisen, daß Strom allein den gesamten Energiebedarf von Häusern decken kann. Es hat eine Vorreiter-Funktion, denn für die damalige Zeit ist der Verzicht auf die Verbrennung von Kohle und Holz zum Heizen und Kochen regelrecht revolutionär – weshalb das Haus der Zukunft noch einprägsamer als das ‚Haus ohne Küchenschornstein‘ bekannt wird. Hillman hat auch die neuartige Idee, in allen Räumen Steckdosen einzubauen, damit elektrische Geräte an sie angeschlossen werden können.

Bevor wir nun einige Sonnenhäuser im einzelnen betrachten, noch ein kleiner Tip für den Praktiker: Schon der einfache Glasanbau vor einer Fensterfront reduziert die benötigte Heizenergie um etwa 15 % – allerdings sollten sich stets ca. 25 % der großflächigen Verglasungen öffnen lassen, damit die Innentemperatur im Hochsommer nicht übermäßig ansteigt.


Ein bahnbrechender Designer passiver Solarhäuser in den 1930er und 1940er der ist der Architekt George Fred Keck aus Chicago, Illinois. Für die dortige Weltausstellung 1933 entwirft er eines von zwölf futuristischen Häusern unter dem Motto ,A Century of Progress’.

Sein vollverglastes, dreistöckiges und zwölfseitiges House of Tomorrow, eine Stahlkonstruktion, welche die ‚europäische Moderne’ reflektieren soll, besitzt einen innovativen offenen Greundriß, eine zentrale Klimaanlage, den ersten Geschirrspüler, ein auf Knopfdruck sich öffnendes Garagentor - sowie einen eigenen Flugzeughangar, da man zu jener Zeit glaubt, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis alle Bürger mit kleinen Privatfliegern durch die Gegend sausen. Mehr als 1,2 Millionen Menschen zahlen zusätzlich 10 Cent für den Blick ins Innere des Hauses.

Keck stellt fest, daß sich das mit Aluminium verkleidete Haus an sonnigen Wintertagen, noch vor Installation des Ofens, ausreichend erwärmt – und beginnt, große Südfenster in seine Bauten zu integrieren. 1940 entwirft er für den Immobilienmagnat Howard Sloan in Glenview, Illinois, ein passives Solarhaus, wie es von der Chicago Tribune genannt wird - was die vermutlich erste moderne Verwendung dieses Begriffes darstellt. Der begeisterte Sloan beginnt daraufhin selbst mit dem Bau passiver Solarhäuser und gilt als Mitinitiator einer regelrechten Solarhaus-Bewegung in den 1940er Jahren.

Nach der Ausstellung wird das Haus - zusammen mit vier weiteren der ursprünglichen zwölf - von seinem ursprünglichen Standort in der Nähe von Chicago nach Beverly Shores, Indiana, versetzt. Technisch gesehen ist das Haus seit 1966 Eigentum des National Park Service, da der Standort Teil des Indiana Dunes Nationalparks wurde, doch aufgrund wiederholter Budgetkürzungen bei der Instandhaltung historischer Gebäude, droht der seit den 1990er Jahren leerstehenden architektonischen Reliquie der Verfall (der Instandhaltungsrückstand beim National Park Service wird 2015 auf rund 12 Mrd. $ beziffert).

Zum ersten Mal 1993 und zuletzt 2012 setzt die Denkmalschutzgruppe Indiana Landmarks Organisation das Bauwerk auf ihre jährliche Liste der zehn am stärksten gefährdeten Objekte, doch erst im Oktober 2016 erklären die Denkmalschützer des National Trust for Historic Preservation das House of Tomorrow zum Nationalschatz. Die Indiana Landmarks Organisation plant nun, 2 Mio. $ zu sammeln, um das Haus in seinem früheren Glanz wieder auferstehen zu lassen. Die Restaurierung soll im Frühjahr 2017 beginnen.

MIT Solarhouse I

MIT Solarhouse I


Im Jahr 1940 erscheinen erste Meldungen darüber, daß die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Massachusetts Institute of Technology (MIT) Hoyt C. Hottel und Byron B. Woertz seit einem Jahr an einem Haus bauen, das zur Beheizung und Warmwasserbereitung die Sonne nutzt. Es soll als bewohnbares Labor für verschiedene Formen der solaren Energieerzeugung genutzt werden.

Das von den damals ‚Wärmefallen’ genannten Solarkollektoren des Daches erwärmte Wasser wird in einem großen Keller-Tank gespeichert. Die beiden Physiker liefern auch die ersten theoretischen Arbeiten zu Flachplatten-Kollektoren.

Das MIT startete den Aufbau von Solarhäusern, nachdem es 1938 von dem Unternehmer Godfrey Lowell Cabot eine Spende mit der Vorgabe erhielt, die Solarenergie für die Menschen nutzbar zu machen. Das Solarhouse I des MIT spielt bei der Entwicklung dieser Technologie eine entscheidende Vorreiterrolle.


Auch der weltberühmte Frank Lloyd Wright (1867 - 1959) nutzt in einigen seiner Entwürfe Prinzipien der passiven Solararchitektur, insbesondere bei seinem zwischen 1944 und 1948 in der Nähe von Madison in Wisconsin gebauten Jacobs House II, das mit seiner charakteristischen Viertelkreis-Form, der Verwendung von Stein, Bezon und Holz, um Sonnenwärme zu speichern, und speziell der vollverglasten, innenliegenden Südfassade auch unter den Namen ‚Solarer Plenarsaal’ bzw. ‚Solar Hemicyclo’ bekannt wird. Der nördliche Teil des Bauwerks ist unterirdisch.

Es ist das zweite von zwei Häusern, die Wright für den Journalisten Herbert Jacobs und seine Frau Katherine entwirft. Das erste hatte er bereits 1936 für sie entworfen – als sein erstes Experiment mit einem ‚usonischen‘ Entwurf. Usonia ist Wrights persönliches Synonym für die Vision von erschwinglichem Wohnraum in den Vereinigten Staaten. Der Begriff bezieht sich auch auf etwa 50 Mittelschicht-Häuser, die der Architekt ab 1936 zusammen mit der Firma Jacobs House errichten läßt – und die für die passive Solarheizung und natürliche Kühlung überhängende Dächer haben.

1974 wird das Jacobs House II in das Nationalregister der historischen Orte aufgenommen und 2003 zum Nationalen Historischen Wahrzeichen erklärt.


Auch der Architekt und Autor Richard L. Crowther (1910 – 2006) wird mit seinen Entwürfen zur solaren und holistischen Architektur international bekannt. Beginnend mit seinem eigenen Haus in San Diego (1945) implementiert er in den von ihm entworfenen Wohn- und Geschäftshäusern passive Solarsysteme.

310 Steele Street

310 Steele Street

Dabei nutzt er Sonnenregie, die von großen Flachkollektoren gesammelt wird, bei welchen schwarze Aluminiumplatten hinter Glas die dazwischen eingeschlossene Luft erwärmen. Diese wird dann durch einen Behälter gepreßt, der mehrere Tonnen Kies enthält, die die Wärme speichern. Aufgrund der besonderen Isoliereigenschaften des Hauses kann die Solaranlage fast 90 % der benötigten Wärme liefern.

Nach seinem Umzug im Jahr 1948 nach Denver, Colorado, setzt er den Bau von energieeffizienten Häusern fort, und seine bahnbrechenden Arbeiten beim Einsatz der Solartechnik im Wohnungsbereich führen zu Buchveröffentlichungen und Vorträgen am Smithsonian, bei Solarkonferenzen und an internationalen Universitäten. Sein ‚Sun-Earth‘-Text gilt noch immer als Maßstab für ganzheitliches Architekturdesign.

Crowther unterstützt 1972 die Planung und Umsetzung des Solar Energy Applications Laboratory (SEAL) an der Colorado State University in Fort Collins (s.u.) und spielt auch eine leitende Rolle bei der Environmental Action of Colorado, der Gruppe, welche die ‚Solar Heating, Cooling, and Energy Conservation Conference‘ koordiniert, die Anfang Mai 1974 in Denver stattfindet. Da sie das Glück hat, die erste vom Bund finanzierte internationale Konferenz über Solarenergie nach dem OPEC-Ölembargo von 1973 zu sein, ist die Konferenz mit über 500 Teilnehmern aus der ganzen Welt sehr gut besucht und gilt als ein Funke, der zahlreiche Solarinitiativen in den USA und weltweit auslöst.

Einige von Crowthers Solargebäuden in Cherry Creek North existieren noch heute, darunter sein hier abgebildeter ehemaliger Hauptsitz in der 310 Steele Street (von 1976) sowie seine Residenz in der 500 Cook Street.


Weitere Häuser aus dieser Dekade sind das Löf House von George Löf in Boulder, Colorado (1945), das Rosenberg House von Arthur T. Brown in Tucson, Arizona (1946) sowie die Rose Elementary School in Tucson, ebenfalls von Arthur T. Brown (1948).

Dover Sun House

Dover Sun House


1948
nimmt die Architektin und Miterfinderin des Solarhauses Eleanor Raymond (1887 – 1989) den Bau ihres ersten sonnenbeheizten Hauses in Angriff. In Zusammenarbeit mit zwei ungarischen Emigrantinnen, der Chemikerin und Professorin an der Universität New York Maria Telkes und der Gräfin Stella Andrassy, errichtet sie in der Nähe von Boston, Massachusetts, das Dover Sun House (auch: Peabody House). Der Nomenklatur des MIT zufolge wird dieses Haus als Solarhouse VI bezeichnet.

Raymonds beide Partnerinnen hatten sich schon zuvor sehr ausführlich und erfolgreich mit der Nutzung der Solarenergie befaßt. Und auch die Finanzierung übernimmt eine Frau, die Bildhauerin und Erbin Amelia Peabody aus Boston. Eine wirklich sehr interessante Geschichte, die ich gerne einmal ausführlicher lesen würde.

Das Dover Sun House ist das erste Haus, bei dem neben dem Einsatz von Flachkollektoren auch ein passives Solarenergiekonzept verwirklicht wird, mit dem es gelingt, das Fünf-Zimmer-Haus so zu konstruieren, daß es das ganze Jahr über ausschließlich mit Hilfe von Sonnenenergie beheizt werden kann.

Kernelement ist eine großflächige ‚Hitze-Falle’, die aus zwei getrennten Glasscheiben mit einer schwarzen Metallplatte dazwischen besteht. Hier wird die Luft auf rund 65°C erhitzt und dann mittels Ventilatoren im Haus verteilt. Als Wärmespeichermedium werden statt Wasser 28 Tonnen Glaubersalz (Natriumsulfatdekahydrat) eingesetzt. Was auch der Grund für die Finanzierung durch Peabody ist - da diese Idee vom MIT abgelehnt worden war.

Das Haus ruft großes öffentliches Interesse hervor – was sich auch im Titel der Märzausgabe 1949 des US-Magazins Popular Science widerspiegelt.

Der Einzug erfolgt am Weihnachtsabend 1948, und ein Cousin von Telkes lebt mit seiner Frau und seinem Kind drei Jahre lang darin, bis das System versagt. Durch die hohen Temperaturen werden die Dichtungen porös und die Kollektoren verlieren deutlich an Leistung. Das Glaubersalz ist zudem nicht stabil und muß jährlich gewechselt werden, was auch dazu führt, daß die Tanks mit dem Salz schnell rosten und undicht werden. 1954 wird das solare Heizungssystem dann durch einen konventionellen Öl-Brenner ersetzt. Das Dover Sun House wird 2010 abgerissen.


Ebenfalls im Jahr 1948 wird am MIT das Solarhouse II errichtet, und 1949 erfolgt dessen Umbau zum Solarhouse III, das dann erstmals tatsächlich als Heim bewohnt wird – von einer Studenten-Familie mit Kind. Nachdem das Haus im Dezember 1955 Feuer fängt, wird es allerdings abgerissen. 1950 findet am MIT übrigens ein erstes Symposium zur solaren Wohnraum-Beheizung statt.


1959
wird in Lexington, Massachusetts, das Solarhouse IV des MIT eröffnet, ein Ergebnis des Designwettbewerbs der Fakultät für Architektur.

Nachdem während drei Heizperioden die entsprechenden Daten gesammelt werden, verkauft das MIT dieses Haus an einen privaten Eigentümer.


Weitere Bauten der 1950er Jahre sind das New Mexico State College House von L. Gardenshire (1953), das Lefever Solar House von H. R. Lefever in Pennsylvania (1954), das Bliss House von Raymond W. Bliss und M. K. Donavan in Amado, Arizona (1954), das Solar Building in Albuquerque, New Mexico, das von Frank Bridgers und Don Paxton entworfen wird und als weltweit erstes kommerzielles Bauwerk gilt, das primär durch Solarenergie beheizt wird (1956).

Das letztgenannte, einstöckige Bauwerk wird nach zweijähriger Planung für 58.500 $ errichtet. Das damals sehr beliebte amerikanische Life Magazine beschrieb das auch als B&P Solar Building bekannte Bauwerk als ein „altmodisch aussehendes, neues Bürogebäude, das eine Wand hat, die mit Glas ummantelt und der Sonne zugewandt ist“ Es wird von der Firma Bridgers and Paxton Consulting Engineers selbst bezogen.

B&P Solar Building

B&P Solar Building

Die Solarheizung mit ihrem 74 m2 großen Kollektorfeld, das um 30° nach hinten geneigt ist, um das intensive Sonnenlicht von New Mexico besser einzufangen, sowie einem isolierten, 22.700 Liter fassenden Heißwassertank funktioniert sechs Jahre lang tadellos, wird während eines Ausbaus 1962 aber dennoch demontiert und durch einen Heizkessel ersetzt. Anfang 1974 erhält Stanley Gilman von der Penn State University eine Förderung der National Science Foundation (NSF), um das solare Heizsystem zu restaurieren und während einer mehrjährigen Studie seine Kapazität zu untersuchen.

Was dieses Gebäude so anders macht, ist zudem die Kombination von aktiven mechanischen Komponenten, die zusammen mit dem physikalischen Gebäude-Design zu einem System führt, das von einem Paneel aus pneumatischen Steuerungen verwaltet wird. Es ist seiner Zeit weit voraus und wird später im Netz gut dokumentiert. Das Solar Building wird 1985 das in das Register of Cultural Properties des Bundesstaates Mexiko und 1989 in das Nationalregister historischer Orte aufgenommen.


Andere Solarhäuser aus dieser Zeit sind  das University of Toronto House von E. A. Allcut in Kanada (1956), ein Solarhaus von Masanosuke Yanagimachi in Tokio (1956) und eines von L. Gardner in Bristol, Großbritannien (1956), das Curtis House von Edward J. W. Curtis in Rickmansworth, ebenfalls Großbritannien (1956), ein weiteres Löf House von James M. Hunter und George Löf, diesmal in Denver, Colorado (1957), das AFASE ,Living With the Sun’ House von Peter Lee, Robert L. Bliss und John Yellott in Phoenix, Arizona (1958), ein Solarhaus von C. M. Shaw im marokkanischen Casablanca (1958) sowie ein weiteres von Yanagimachi in Nagoya (1958), das Princeton University House von Aladar Olgyay in New Jersey (1959) sowie das Thomason Solar House (auch: Solaris #1) von Harry Thomason in Washington D.C. (1959).


In den 1960er Jahren wird es dann merkwürdig ruhig, und bis auf ein drittes Solarhaus in Colorado (1963) habe ich bislang noch nicht viel über weitere Bauten aus dieser Zeit finden können.

Allerdings wird 1967 von Félix Trombe und Jacques Michel auch das erste Passiv-Solarhaus in Europa gebaut, und zwar in Verbindung mit dem Solarofen von Odeillo in Frankreich (s.d.).

Die Mauer hinter der Glasfassade dieses Gebäudes ist 60 cm dick, schwarz angestrichen und deckt rund 40 % des Heizbedarfs.


Weiter mit den Solarhäusern und solaren Bauelementen ab 1970 ...