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MUSKELKRAFT


Muskelkraft-Flugzeuge
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Zwischen 1982 und 1987 baut der Ex-RNZAF Pilot Don Walther aus Christchurch in Neuseeland eine unkonventionelle Maschine namens Boffin Coffin, die bei einer Spannweite von 13,7 m mit einem Vorderflügel von 13 m2 und einem Heckflügel von 11 m2 Fläche augestattet ist, die sich auch in ihrem Neigungswinkel unterscheiden, wie man auf dem Foto gut erkennen kann.

Boffin Coffin

Boffin Coffin

Das Gewicht der Maschine beträgt 57 kg, und als Materialien werden mit Harz laminierte Bleche einer Aluminiumlegierung, geschäumtes Polystyrol und Melinex verwendet. Interessant ist auch die mit dem Kopf voran liegende Position des Piloten.

Die ersten Flugversuche werden auf der Wigram Air Base in Christchurch durch Abschleppen mit einem Auto vorgenommen, doch schon beim zweiten Start landet der Schwanz zuerst, was einige Schäden verursacht. Im Jahr 1987 werden mit der Muskelkraft jüngerer Piloten, Steven Preest und Trent Hiles, weitere Flugversuche gemacht, doch die stetige östliche Brise, die über die Basis bläst, macht sie für HPA-Flüge ungeeignet, sogar innerhalb der Halle.

Als einmal die Hangartüren offen gelassen werden, schlägt ein Windstoß die Maschine hinten in eine Wand und Walther gibt das Projekt im Juli 1988 auf.


Im Mai 1983 wirde die World Speed Competition ins Leben gerufen – zu einem Zeitpunkt, als sich das schnellste mit Muskelkraft angetriebene Flugzeug, die Jupiter von Chris Roper, mit maximal 32 km/h fortbewegen kann.

Zum Gewinnen des neuen Preises in Höhe von 20.000 £, die ebenfalls von Kremer zur Verfügung gestellt werden, wird vorausgesetzt, daß ein Muskelkraft-Flugzeuge die Strecke von einer Meile in weniger als drei Minuten abfliegt. Und da davon ausgegangen wird, daß das Speichern von Energie in jedweder Form ein praxisnäheres Fluggerät ermöglichen würde, darf für diesen Wettbewerb vor dem Start für 10 Minuten Energie erzeugt und gespeichert werden.

Den Flug um ein gleichseitiges Dreieck mit einer Gesamtstrecke von 1.500 m in 174,7 Sekunden schafft erstmals Frank Scarabino im HPA Monarch im Mai 1984 (s.u.). Ein Preisgeld von jeweils 5.000 £ für die Verbesserung des jeweils aktuellen Rekords um mindestens 5 % kassieren im Juli 1984 das Team Parker/MacCready mit dem Bionic Bat (163,3 Sekunden), im August Holger Rochelt in der Musculair I (151,4), im Dezember Bryan Allen wiederum mit dem Bionic Bat (143,1), und im Oktober 1985 dann nochmals Holger Rochelt, diesmal in der Musculair II (122,0). Alleine schon diese kurze Auflistung zeigt, wie spannend sich das Rennen gestaltet, das in der Hauptsache zwischen drei Teams ausgetragen wird.

Da angenommen wird, daß nun keine erheblichen Geschwindigkeitssteigerungen mehr möglich sind, wird dieser Wettbewerb im Jahr 1986 für beendet erklärt. Was aber möglicherweise verfrüht ist.


Die Geschichte des ersten Siegers lohnt, erzählt zu werden: Denn kaum, daß sie von dem neuen Kremer-Geschwindigkeitswettbewerb hören, treffen sich die ehemaligen Chrysalis-Designer Mark Drela und John Langford sogleich im Mai 1983 mit einigen anderen Mitgliedern des MIT-Teams zu ihrer ersten Design-Sitzung mit der Absicht, eine neues Flugzeug zu bauen, das exakt auf diese Herausforderung zugeschnitten ist. Sie beschließen, eine sehr viel kleinere und einfachere Maschine zu bauen, die nur in der Lage sein muß, eine dreiminütige Flugzeit zu absolvieren.

Das daraus entstehende Muskelkraft-Flugzeug Monarch besteht aus Aluminiumrohren und Kunststoffschaum, hat eine Spannweite von 18,9 m, eine Flügelfläche von 16,4 m2 und ist mit einem speziellen Energiespeichergetriebe ausgestattet, das es dem Piloten ermöglicht, die Rückgewinnung der Energie zur Motorunterstützung im Flug zu steuern.

Der Monarch A wird in der fast unglaublichen Zeit von nur 88 Tagen fertiggestellt und wird bereits Anfang August 1983 aus der Halle gerollt – und überschlägt sich, was zu Schäden an der Flugzeugzelle führt, sodaß der Erstflug nach der Reparatur erst Mitte des Monats erfolgen kann. Einen weiteren Absturz, der den Rumpf zum Wrack macht, geschieht im September – und nur zwei Tage später wird gemeldet, daß das Konkurrenz-Flugzeug Bionic Bat von MacCready einen erfolgreichen Flug mit einer Zeit von 2 Minuten 39 Sekunden absolviert hat (s.u.). Das Monarch-Team weiß, daß es diese Zeit nie um 5 % schlagen kann.

Obwohl mit dem Monarch A insgesamt 29 Flüge gemacht werden, will das Team dazulernen, nachdem es das Flugzeug eingelagert hat. Im Oktober lädt daher Langford den Piloten des Bionic Bat, Parker MacCready, ein, um seine Erfahrungen zu beschreiben. Anschließend wird damit begonnen, den Rumpf, der eine Quelle von Problemen war neu zu gestalten. Aus dem Sitzplatz des Piloten wird nun eine Liegerad-Position wie beim Bionic Bat, dazu soll die neue Version einen Verstellpropeller bekommen, was bei Verwendung der Motorunterstützung ein wichtiger Punkt ist.

Doch dann schlägt im November wie eine Bombe die Nachricht ein, daß die RaeS dem Bionic Bat-Team der Anspruch auf den Preis verweigert, und zwar aus technischen Gründen, die den Energiespeicher betreffen. Mit frischer Motivation wird der neue Rumpf bis April 1984 fertiggestellt, wobei die Straßentests heimlich in der Nacht durchgeführt werden. Das nun Monarch B genannte Flugzeug fliegt wieder.

Anfang Mai versucht Pilot Frank Scarabino zum ersten mal den Kurs zu fliegen, doch der neue Verstellpropeller ist falsch eingestellt und der Versuch muß abgebrochen werden. Zwei Tage später vereiteln Seitenwinde einen weiteren Ansatz, und als es Scarabino Tags drauf noch einmal probiert, braucht er für die 1.500 m lange Strecke 3 Minuten und 43 Sekunden, was entschieden zu viel ist. Nach einem zusätzlichen erfolglosen Versuch am nächsten Tag gibt Scarabino auf und ruht sich erst einmal drei Tage lang aus.

Doch am 11. Mai 1984 ist es dann soweit. Die Uhren der offiziellen Beobachter werden gedrückt, um den Beginn der 10-minütigen Ladezeit zu markieren, und Scarabino beginnt zum Aufladen der Batterien kräftig in die Pedale zu treten. Wenn mehr als 10 Minuten auf dem Boden verbracht werden, so sehen es die Regeln vor, wird diese überschüssige Zeit der Flugzeit zugerechnet. Und tatsächlich, als sich ein Reißverschluß der Tür verhakt, verursacht dies eine Verzögerung und Scarabino startet mit fünf Sekunden Verspätung, um auf die erforderliche Höhe von 2 m an der Startlinie zu steigen.

Mit der neuen elektrischen Anlage des Monarch B kann der Pilot die Menge der aus den Batterien kommenden Energie rationieren. Die Idee ist, daß sich die Batterien, die Beine und die 3-Minuten-Frist alle zur gleichen Zeit erschöpfen – wobei diesmal auch noch fünf Sekunden aufgeholt werden müssen. Es ist nicht nur Beinarbeit. Es ist nicht einmal nur Beinarbeit und das gleichzeitige Fliegen eines Flugzeugs, denn auch das elektrische System ist eine Sache, die genaustens im Auge behalten werden muß.

Trotz dieser Herausforderung kreuzt der Monarch B die Ziellinie nach 2 Minuten 50 Sekunden – die offiziell aufgezeichnete Zeit beträgt 2 Minuten und 54,76 Sekunden – und das Monarch-Team kann die 20.000 £ des dritten Kremer-Preises für Geschwindigkeit einstreichen. Da davon ausgegangen wird, daß das Flugzeug das Beste gegeben hat, zieht sich das Team nach einigen weiteren Flügen aus dem Rennen zurück und vermacht den Flieger dem Museum of Science in Boston, Massachusetts.


Und die anderen Teilnehmer? Nun, das MacCready-Team hatte fast zeitgleich im Mai 1983 damit begonnen, ein Muskelkraft-Flugzeug für den Geschwindigkeits-Wettbewerb zu entwerfen, das den Namen Bionic Bat bekommt (anfangs auch: Gossamer Swift).

Bionic Bat

Bionic Bat

Im Juni wird mit dem Bau gestaret, und schon im August kann der Erstflug gemacht werden. Als im September der Kurs in 2 Minuten und 39 Sekunden geflogen wird, scheint alles in Ordnung – bis die Organisatoren den Anspruch im November aus technischen Gründen zurückweisen.

Bis Januar 1984 wird das Flugzeug mit einem neuen elektrischen System ausgestattet, das aber 2,3 kg schwerer ist, doch schon im Februar erklärt Paul MacCready, daß er die Sache mit der gespeicherten Energie aufgibt und stattdessen die Flügel ändern und ihre Spannweite von 14,6 m auf 16,9 m erhöhen wird. Als Gossamer Swift fliegt die neue motorlose Variante erstmals im April.

Nach dem Erfolg des Monarch B beschließt Paul MacCready im Juni, doch wieder gespeicherte Energie nutzen zu wollen. Worauf das Team ein verbessertes System entwickelt, das den Motor auch als Generator verwendet und damit Gewicht spart. Die erhöhte Spannweite wird aber beibehalten. Als es Parker MacCready dann im Juli gelingt, mit dem Bionic Bat die Strecke mit einer Geschwindigkeit von 9,8 m/s in 2 Minuten 43 Sekunden abzufliegen, gewinnt das Team immerhin den zweiten Preis in Höhe von 5.000 £.

Und im Dezember gibt es diesen Preis noch einmal, als der Pilot Bryan Allen in dem weitgehend unveränderten Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 11,2 m/s eine Zeit von 2 Minuten und 23 Sekunden markiert, was gegenüber dem bisherigen Rekord eine Verbesserung um 5,8 % darstellt.


Der dritte Mitbewerber ist der leider viel zu früh verstorbene Günter Rochelt, über dessen geniale und ausgesprochen ästhetische Solair-Flugzeuge ist ausführlich im Kapitelteil Elektro- und Solarflugzeuge berichte (s.d.). Er beginnt im Januar 1984 mit dem Bau der 7 m langen Musculair, die keine gespeicherte Energie verwenden, sondern ausschließlich durch seinen Sohn, Holger Rochelt, mit der notwendigen Flugkraft versorgt werden soll. Ihre Spannweite beträgt 22,00 m, die Flügelfläche 16,50 m2 und der Propellerdurchmesser 2,72 m.

Muculair I

Muculair I

Schon im Juni kann Holger mit der Musculair die liegende Acht fliegen – und den für Nicht-Amerikaner ausgesetzten Kremer-Preis in Höhe von 10.000 £ für diesen Wettbewerb gewinnen (s.o.). Nun kann der filigrane, aber kräftige Flieger auf Geschwindigkeit getrimmt werden, die eine Zeit von nur 4 Minuten und 5 Sekunden für die Acht zeigt das Potential dafür (der Gossamer Condor hatte sieben Jahre zuvor dafür immerhin 7 Minuten und 27,5 Sekunden gebraucht).

Als der Musculair Anfang August den Geschwindigkeitskurs in 2 Minuten und 45 Sekunden absolviert, geht Rochelt davon aus, daß er damit den zweiten Preis gewonnen hat – da er noch nicht von dem Erfolg des Bionic Bat gehört hat. Kontinuierliches Training und Leistungsverbesserungen am Flugzeug führen dazu, daß Holger den Kurs am 21. August 1984 in nur 2 Minuten und 31 Sekunden durchfliegen kann, wobei er eine Geschwindigkeit von 10,7 m/s erreicht – und nun endlich auch einen Preis bekommt.

Im Jahr 1985 entscheiden sich die Rochelts und Ernst Schoberl, der für die Optimierung der Aerodynamik zuständig ist, ein neues Flugzeug speziell für Geschwindigkeit zu entwerfen, das keine Energiespeicherung verwendet. Da die Musculair außerdem bei einem Verkehrsunfall ernsthaft beschädigt wird, liegt es nahe, gleich ein anderes Flugzeug zu bauen.

Als das Musculair II im August nahezu abgeschlossen ist, bringen die Rochelts das Flugzeug nach England, in der Hoffnung, auf dem Milton Keynes International Festival damit zu fliegen. Der Bau kann zwar in Cranfield beendet werde, aber das Wetter schließt Flüge aus.

Zurück in Deutschland fliegt Holger am 1. Oktober auf dem Flugplatz Schleißheim bei München den Geschwindigkeitskurs in 2 Minuten und 21 Sekunden, was zwar schneller als der Bionic Bat ist – aber nicht um die erforderlichen 5%.

Am 2. Oktober 1985 wärmt er sich zwei Stunden lang vor und wird zudem von einem erfahrenen Fahrrad-Rennfahrer psychologisch für den Rekordversuch vorbereitet. Es gelingt Holger, seine gestrige Zeit um erstaunliche 19 Sekunden zu überbieten und den Kurs in nur 2 Minuten und 2 Sekunden zu fliegen, was einer Geschwindigkeit von 13,4 m/s und damit einer 15 %-igen Verbesserung gegenüber dem früheren Gewinner entspricht – und den Rochelts einen weiteren Kremer-Preis beschert.

Muculair I mit Passagier

Musculair I mit Passagier

Regelrecht legendär wird das Foto auf dem zu sehen ist, wie Holger Rochelt mit seiner Schwester Katrin als Passagier, die zu diesem Zeitpunkt immerhin 28 kg wiegt, durch die Luft fliegt. Dafür wird auf der Rückseite des senkrechten Hauptrumpf-Rohres mit Klebeband ein provisorischer Sitz befestigt. Gemeinsam machen die beiden in der Musculair I einen Flug von 500 m Weite in einer Höhe von 5 m. Und der bescheidene Holger danach meint nur, daß er eben etwas stärker in die Pedale treten mußte als sonst...

Übrigens bietet Günter Rochelt im Jahr 1985 an, Kopien der Musculair II zu einem Verkaufspreis von 25.000 $ zu produzieren – wozu es aber leider nicht kommt. Die Muculair I befindet sich heute im Deutschen Museum in München, die Musculair II in der Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums in Oberschleißheim bei München.


Interessant ist auch ein Kommentar von Chris Roper, der darauf hinweist, daß in den beiden bisherigen Kremer-Wettbewerben die Studenten und Fachleute schließlich von Projekten geschlagen wurden, die von Familien initiiert worden sind. Als Belege führt er sich selbst und seine Frau Susan an (Jupiter, 1972), Paul und Parker MacCready (Gossamer Condor, 1977) und natürlich Günter und Holger Rochelt (Musculair II, 1985).


Bei dem Wettbewerb nicht von Erfolg gekrönt sind die Versuche von Wayne T. Bliesner, einem Boeing-Ingenieur der seit einiger Zeit an einem neuen Flügel-Design arbeitet und mittels eines Computerprogramms zur Optimierung zum dem Schluß kommt, daß eine Spannweite von 33,5 m am besten wäre, um das geplante Man-Eagle HPA zu realisieren.

Der Flügel wird aus Carbon-Rohr-Holmen, Schaumstoff Rippen und einer Mylar-Flügelhaut gebaut und auf einen bestehenden Bliesner 7 Rumpf mit V-Leitwerk montiert, doch die Flügelspitzen-Biegung ist mit 4,6 m viel zu hoch, worauf die Spannweite zuerst 22,6 m und dann auf 19,2 m reduziert wird, und bevor das Flugzeug fliegen konnte, mußten Draht-Verstrebungen hinzugefügt werden. Das sich daraus ergebende Flugzeug, die Man-Eagle 2, erfordert jedoch viel mehr Kraft um zu fliegen als erwartet.

Die Differenz wird auf Verluste im Antrieb zurückgeführt und auch darauf, daß der Propeller nicht der reduzierten Spannweite angepaßt worden sei. Als im Mai 1983 der Kremer-Geschwindigkeitswettbewerb ins Leben gerufen wird, beschließt Bliesner seine nächste Variante genau dafür geeignet zu machen. Dabei wird auf das V-Leitwerk verzichtet, der Propeller vorn montiert und der Pilot in Liegerad-Position versetzt.

Als Energiespeichersystem werden anfänglich verdrillte Gummistränge genutzt, doch da die Propellernabe vor und über den Piloten liegt, befinden sich die Stränge direkt über dem Kopf, weshalb die Sache aus Sicherheitsgründen verworfen wird. Statt dessen kommt ab Januar 1984 ein elektrisches System zum Einsatz, das zwar zuverlässiger, aber nicht so effizient ist wie der Kautschuk.

In einigen Fällen holt Bliesner seinen Flieger aus dem Hangar, kletterte hinein und macht einen Flug – komplett im Alleingang. Zwischen 1983 und 1986 steckt er außerdem viel Zeit in das Training, um seine Muskelleistung zu entwickeln. Alleine im Jahr 1985 macht das Flugzeug Hunderte kurzer, kontrollierter Flüge, mit einer Gesamtflugzeit von mehr als drei Stunden, sowie acht Versuche, den Geschwindigkeitskurs in weniger als drei Minuten zu durchfliegen. Um mit den anderen Teams mitzuhalten reicht es aber nicht.

Nach der Schließung des Wettbewerbs konzentriert sich Bliesner 1986 darauf, für die Man-Eagle 4 einen Rumpf mit sehr glatter Form zu erzeugen, doch dann hört man erst wieder im Mai 1992 von ihm, als er den Plan bekanntgibt, mit seinem neuen Marathon Eagle, an dem er seit 1988 arbeitet, einen 26 Meilen Kurs über England strampeln zu wollen, um damit den nächsten Kremer-Preis einzuheimsen.

Zwar bauen die Brüder John und Mark McIntre aus Cambridge, England, einen Propeller für das neue Flugzeug, das mindestens eine volle Stunde knapp 42 km/h halten muß, um den Preis zu gewinnen, und auf dem International Human-Powered Flight Symposium im Jahr 1994 im Museum of Flight auf dem Boeing Field soll die Marathon Eagle auch ausgestellt worden sein, doch Belege dafür gibt es bislang keine, und später hört man auch nichts mehr über die Pläne.

Auch über das von Bliesner inspirierte Projekt RAVEN, ein weiteres Flugzeug das vom Art Institute of Seattle entworfen und gebaut wird und ebenfalls auf dem Symposium zu sehen gewesen sein soll, ist nicht viel herauszufinden. Die Schöpfer des mit 400.000 $ bezifferten Projekts hoffen, bereits im Jahr 1997 eine Strecke von 100 Meilen innerhalb von fünf Stunden fliegen zu können, wobei die Route aus der Nähe der San Juan Islands über den Puget Sound bis in die Innenstadt von Seattle führen soll.

Die letzte Nachricht, die es darüber gibt, stammt vom Oktober 2001 und besagt, daß es nicht gelungen sei, die weiteren 300.000 $ zu beschaffen, die erforderlich sind um das Projekt abzuschließen, obwohl noch kurz zuvor die Rede davon war, daß man gut im Zeitplan läge, den ersten Flug noch vor Ende des Jahres durchzuführen. Das Projekt ist damit offiziell beendet.


Im Dezember 1983 absolviert das in der Schweiz gebaute Muskelkraft-Flugzeug Pelargos von Max Horlacher (dessen Elektromobile ich in dem entsprechenden Kapitelteil präsentiere, s.u. 1988 ff.) einen Flug über eine Strecke von 800 m, was der Pistenlänge auf dem Flugplatz entspricht.

Pelargos

Pelargos

Das Design und die Konstruktion des Pelargos (griechisch für Storch) stammen von Horlacher selbst, Toni Felix und Prof. Fritz Dubs aus Zürich. Während über die Version Pelargos 1 keine Details bekannt sind, wird das Modell Pelargos 2 als ein großes und langsames HPA beschrieben, das leicht zu fliegen ist. Es hat eine Spannweite von 26 m (o. 27 m) und ein Leergewicht von 36 kg, die Flügelfläche beträgt 67,5 m2. Der Erstflug erfolgt im Dezember 1983 in Dübendorf, Schweiz.

Ein späteres Modell Pelargos 3, das viel kleiner und raffinierter aufgebaut ist als sein Vorgänger, wird erstmals im April 1985 in Birrfeld, ebenfalls in der Schweiz, geflogen. Diese Version, deren aerodynamischer Entwurf von dem ehemaligen Segelflieger und Radrennfahrer Peer Frank aus Stuttgart stammt, hat eine Spannweite von 22 m. ein Leergewicht von 42 kg und eine Flügelfläche von 19,8 m2. Frank entwickelt später die Modelle Vélair 88 und 89 (s.u.).


Im Jahr 1983 gründet Robert Le Johnno-Johnson die New Zealand Human Powered Flight Group (NZHPFG) um sich an die Verwirklichung eines ehrgeizigen Designs zu machen, ein zweisitziges Muskelkraft-Flugzeug, bei dem die Piloten in getrennten Kabinen sitzen.

Das vorgeschlagene HPA namens Royal Spoonbill soll eine Spannweite von 100 m bekommen, und die Gruppe baut sich eine spezielle Werkstattausrüstung einschließlich eines Vakuumtisches zum Aushärten des Harzes auf Kevlar-Rohren und Winkelgelenken.

Als das Flugzeug 1985 zu einem Viertel fertig gebaut ist, wird die Werkstatt im Zuge von Vandalismus verwüstet. Obwohl die Gruppe danach an einer Neugestaltung arbeitet, wird die Werkstatt im März 1987 geschlossen und das Geschwader aufgelöst. Nähere Details habe ich dazu noch keine gefunden.


Ebenfalls 1983 erhält die University of Auckland – gleichermaßen in Neuseeland – ein Muskelkraft-Flugzeug, das teilweise schon in den 1970er Jahren von John Frost aufgebaut worden war. Seine Struktur besteht aus Aluminiumrohr und einem Labyrinth von Spanndrähten, und die Kontrolle erfolgt durch Verdrehen der mit Dacron bedeckten Flügel. Die Spannweite beträgt 24,4 m, die Flügelfläche 23,2 m2 und das Leergewicht 42 kg.

Frost stirbt jedoch im Jahr 1979, noch bevor er seine Arbeit abschließen kann, und die Maschine geht in den Besitz des Auckland-Zweigs der RaeS über, die sie später der Universität übergibt.

1984 gehen dort Grants D. Shirreffs und Daniel S. Steinemann daran, das Emmett HPA bezeichnete Gerät zu vervollständigen und zu testen. Bei Flugversuchen auf der Royal New Zealand Air Force (RNZAF) Basis in Auckland, bei denen das Flugzeug hinter einem PKW hergezogen wird, erweist es sich jedoch als äußerst schwierig zu fliegen. Die Seitensteuerung ist völlig unzureichend, und auch das Neigen der Flügelspitzen beim Start kann nicht korrigiert werden. Was dann auch das Letzte ist, was man darüber hört.

Nach Scarabinos Erfolg mit dem Monarch erinnert sich das Team an die Geschichte von Ikarus und Dädalus und überlegt, ob es inzwischen nicht möglich sei, die Ägäis tatsächlich mit Muskelkraft zu überfliegen. Nach einem Jahr der Beratungen wird entschieden zu versuchen, es herauszufinden – womit das Daedalus Projekt geboren ist, das bereits im Februar 1985 durch das Smithsonian Institution unterstützt wird.

Ab April 1986 werden mit Sponsoring der Anheuser Busch Inc., dem Hersteller des Biers Michelob Light, drei Flugzeuge des gleichen Typs gebaut, angefangen mit dem 8,6 m langen und 42 kg schweren Prototyp Light Eagle (anfänglich als Michelob Light Eagle oder Emily bekannt), der erstmals im Oktober bei Hanscomb Field in die Luft geht. Nachdem die Flügelspannweite im Januar 1987 auf 34,7 m vergrößert wird, werden über dem Rogers Dry Lake am NASA Dryden Flight Research Center in Edwards, Kalifornien, mehrere Rekorde erflogen.

Das Flugzeug ist schon so ausgereift, daß Glen Tremml einen Streckenrekord über 58,7 km aufstellen kann, während die Amateur-Triathletin Lois McCallin eine Strecke von 15,45 km (andere Quellen: 16,1 km) in 37 Minuten und 38 Sekunden zurücklegt und damit einen neuen Distanz- und Dauer-Rekord für Frauen aufstellt.

Der Erfolg wird der sorgfältigen Materialauswahl und den umfassenden Belastungstests der verschiedenen Komponenten zugeschrieben, welche die Studenten und Professoren des MIT durchführen, welche die Flieger an der MIT Lincoln Lab Flight Facility in der Nähe von Boston bauen. Dazu kommt ein optimierter, knapp 3,5 m großer Propeller.

Im Jahr 1987 folgt die Daedalus 87 mit einem Leergewicht von 31 kg, einer Länge von 8,6 m und einer Spannweite von 34 m, mit dem u.a. auch die NASA Untersuchungen durchführt. Der Bau wird von vielen Sponsoren gefördert, darunter die United Technologies Corp., die das Projekt mit 500.000 $ unterstützt. Diese Maschine stürzt im Februar 1988 in Rogers Dry Lakebed zwar ab, wird anschließend aber wieder aufgebaut.

Die anschließend gebaute Daedalus 88 hat ein Leergewicht von 32 kg, die Spannweite beträgt 34 m und die Tragflächengröße 29,98 m2. Im März transportiert die Hellenische Luftwaffe alle drei Flugzeuge auf ihre Basis Heraklion auf Kreta, deren Start- und Landebahn direkt auf das Meer zeigt. Das Projekt wird von der Hellenic Industrial Development Bank gefördert und die griechische Zentrale für Fremdenverkehr bietet dem Team Mahlzeiten und Unterkünfte.

Und sobald das Wetter geeignet ist, geht es los: Mit einem Startgewicht von 104 kg fliegt der griechische Radrennfahrer Kanellos Kanellopoulos das Muskelkraft-Flugzeug am 23. April 1988 über eine Strecke von 115,11 km von Iraklion Air Force Base auf Kreta nach Santorin. Eskortiert von Schiffen der griechischen Marine und mit Rückenwind von 1,3 m/s fliegt er in einer Höhe von 5 – 10 m und einer mittleren Geschwindigkeit von 24,8 km/h, wobei er für die Strecke 3 Stunden, 54 Minuten und 59 Sekunden benötigt.

Allerdings zerbricht das Flugzeug durch eine Windböe nur 30 m vor dem Strand von Santorin und Kanellopoulos landet im Wasser, was dem Erfolg an sich aber keinen Abbruch tut. Auch das Team ist glücklich, denn ihr Fluggerät hat genau das geleistet, was von ihm gefordert worden war.

Die Reste des Rekordflugzeugs werden später an das Smithsonian-Institut in Washington übergeben, während die Daedalus 87 bis 2009 im Museum of Science in Boston ausgestellt wird und anschließend ihren Platz im Terminal B am Dulles Airport außerhalb von Washington, DC, findet. Dem Light Eagle ist dafür ein Weiterleben beschieden: Im Jahr 2009 wird er restauriert und von der Firma Aurora Flight Sciences als Versuchsplattform bei der Entwicklung es unbemannten Solarflugzeugs Vulture genutzt (s.d.).


Im August 1988 startet Peer Frank, von dem der Entwurf des Pelargos 3 stammt (s.o.), in Malmsheim bei Stuttgart zum Erstflug seiner Vélair 88, einem vergleichsweise kleinen und schnellen HPA mit einer Flügelspannweite von 21,7 m, einer Leermasse von 37,9 kg und einem 2-Blatt-Propeller von 2,70 m Durchmesser. Es werden erfolgreiche Flüge von bis zu 3,1 km durchgeführt, der Länge der Start- und Landebahn.

Vélair 89

Vélair 89

Die theoretische Auslegung und Optimierung war im Jahr 1986 mit einem Atari Computer erfolgt und Bau begann im Mai 1987 mit der Hilfe von zwei Freunden. Franks Firma Skytec Aircraft Development in Mattsies im Unterallgäu verbessert das Muskelkraftflugzeug im folgenden Jahr, wobei das nun Vélair 89 genannte Modell u.a. auf ein Gewicht von 30,5 kg abgespeckt wird sowie einen neuen Flügel mit 23,2 m Spannweite bekommt. Der vorherige Flügel wird übrigens für das Icaré 1 Solarflugzeug der Universität Stuttgart weiterverwendet.

Der Erstflug erfolgt im September 1989, bei dem ebenfalls die gesamte Bahn abgeflogen werden kann. Diesem schließen sich noch diverse weitere Flüge an, wobei eine Reisegeschwindigkeiten von 31 km/h erreicht wird. Und auch 10 Jahre später fliegt die Vélair immer noch, wird immer wieder ausgestellt – und entwickelt sich langsam zum Oldtimer unter den HPA. Nach 2001 ist aber nichts mehr darüber zu hören.


Die wichtigste Meldung des Jahres 1988 ist aber wohl, daß drei neue Kremer-Preise bekannt gegeben werden. Dies ist zum einen die mit 50.000 £ ausgelobte Kremer International Marathon Competition, bei der zwei Umrundungen um zwei 4.051 m entfernt stehende Pfähle, anschließend eine liegende Acht, und dann nochmals zwei Kreise innerhalb einer Stunde gefordert sind, um die Marathon-Distanz zu erfüllen (26 Meilen).

Dann gibt es die Kremer International Sporting Aircraft Competition, bei der es ebenfalls um 50.000 £ geht – und den Bau eines Muskelkraft-Sportflugzeugs, das bei normalen Windbedingungen von 5 m/s innerhalb von 7 Minuten und in 10 m Höhe einen Kurs in Form eines gleichseitigen Dreiecks in beiden Richtungen durchfliegen kann. Später wird das Preisgeld auf 100.000 £ erhöht.

Der dritte, mit nur 10.000 £ ausgestattete Preis, obwohl mindestens ebenso anspruchsvoll, ist die Kremer International Seaplane Competition, bei der ein muskelkraftbetriebenes Wasserflugzeug, das aus dem Wasser starten und im Wasser landen muß, innerhalb von 6 Minuten eine liegende Acht mit 805 m auseinander liegenden Wendepunkten fliegen soll. Es scheint allerdings, daß mangelnde Resonanz zum Streichen dieses Preises geführt hat, denn inzwischen ist nichts mehr darüber zu finden.


Im Zuge meiner Recherchen habe ich nur eine einziges Frauen-Team in Japan entdecken können, die sich mit der Entwicklung eines derartigen Wasserflugzeugs beschäftigen wollte.

Die Gruppe mit dem Namen Team Aktive Gals wird 1988 mit dem Hauptzweck gebildet, daß sich von Frauen geflogene muskelbetriebene Flugzeuge an der Japan International Birdman Rally beteiligen. Die Mitglieder sind im Hinblick auf das Flugwesen zumeist Amateure und arbeiten als Ingenieurinnen bei einen Generalunternehmenr namens Asanuma Corp. Sie wollen beweisen, daß auch eine Amateur-Pilotin fliegen kann – und nicht nur eine Triathletin wie Lois McCallin (s.o.).

Neben ein paar Gleitern wird ein HPA namens HYPER-CHick KoToNo Limited gebaut, dessen Planung im September, und der Bau im Oktober 1991 startet. Im April 1992 wird mit den Flugtests begonnen und bei 13 Testflügen kann eine Gesamtflugdauer von 70 Sekunden angesammelt werden.

Das 8,24 m lange und nur 37,0 kg schwere Fluggerät, das eine Spannweite von 25,86 m und einen 2,80 m durchmessenden Propeller besitzt, nutzt einen der „einzigartigen Vorteile der japanischen Frauen, (nämlich) ihr geringes Gewicht und ihre kleinen Körper“, wie das Team selbst schreibt. Die für das Projekt vorgesehene Pilotin sei sehr kompakt, 154 cm groß und 44 kg leicht.

Im Juni wird ein offizieller Rekordflug unter FAI-Regeln versucht, der jedoch an der Mindesthöhe von 2 m scheitert. Dies gelingt aber einen Monat später, als Kotono Hori im Juli 1992 die erste japanische Frau wird, die vor Beobachtern der Japan Aeronautic Association innerhalb von 22,98 Sekunden eine Flugweite von 119 m zurücklegt. Um kurz vor dem zweiten Versuch ihr Gewicht weiter zu reduzieren, schneidet sich Hori ihr bis zur Taille reichendes Haar ab. Im August erringt das Team bei der Japan International Birdman Rally dann mit einer Flugstrecke von 334,13 m den 4. Platz der Damen-Klasse.

Im November 2000 fliegt dann auch ein Chick-2000 genanntes HPA mit einer Pilotin an Bord, über das es aber keine weiteren Informationen gibt, außer daß es bei den Versuchen sehr neblig gewesen sei, worauf der Wirkungsgrad des Strömungsprofils durch viele winzige Wassertropfen auf der Oberfläche verringert wird und die bis knapp 270 m weiten Flüge in einer zu geringen Höhe von 1,4 m erfolgen.

Interessant ist die Erwähnung einer zweiten Frauengruppe namens Team Windnauts, mit der zusammengearbeitet wird, damit zwei weibliche Piloten an den gleichen Tagen auf der selben Start- und Landebahn fliegen. Neben der o.g. Kotono Hori werden als Piloten namentlich Chihiro Muraoka von der Ochanomizu University und Mayumi Sumikawa von der Tohoku University erwähnt, weitere Informationen gibt es leider nicht.

Eigentlich will sich das Team Aktive Gals nun mit dem Seaplane-Wettbewerb beschäftigen, wofür ein muskebetriebenes Tragflächenboot geplant und entwickelt werden soll, doch nach 2001 ist weder von dem Team noch von dem Wasserflugzeug wieder etwas zu vernehmen.

 

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