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DIE SAGE DES PROMETHEUS

 

Fire, I bring you to burn,
Fire, I bring you to learn,
Fire – to destroy all you’ve done

Arthur Brown

Vielleicht war das Hauptziel der Menschen in der Vergangenheit, einfach nur mehr Nahrung zu produzieren um das eigene Überleben zu sichern. Doch sie wurden immer mehr und suchten daher nach immer leistungsfähigeren Energieträgern, um den steigenden Verbrauch zu decken.

„Man versuchte das Feuer zu bändigen und für sich einzuspannen, und wem das gelang, der konnte andere Menschen von sich abhängig machen.“ (83)


Heute scheinen die Menschen, denen die Handhabung des Feuers einst den entscheidenden Evolutionsvorteil sicherte, an der Perfektionierung eben jener Technologie zu scheitern: Sie fahren wider besseres Wissen fort, den Planeten in einen giftigen Backofen zu verwandeln. Es begann mit der Zähmung des Feuer – und endet (doch hoffentlich nicht!) mit dem Traum von der Kernfusion, die Exergie ‚für alle Ewigkeit’ bereitstellen soll. Auch wenn dieses Versprechen seit Jahrzehnten immer wieder erneuert wird, ohne daß bislang auch nur ein einziges Watt erzeugt werden konnte.

Also mal ehrlich: Noch im Februar 2006 gaben bei einer Konferenz fast 100 Experten aus Europa möglichen Fusionskraftwerken Bestnoten. Klar – weil diese ‚Experten’ von der Hypothek auf eine zukünftige Technologie leben, für die sie immense Geldbeträge fordern und bislang auch bekommen – mit denen man jedoch, anders eingesetzt, das Energieproblem wohl schon längst gelöst hätte. Man sollte sich diese Information besonders langsam auf der Zunge zergehen lassen:

In Greifswald haben Experten inzwischen das Plasmagefäß für das 300 Millionen Euro teure deutsche Fusionsforschungsexperiment ‚Wendelstein 7-X’ montiert. Es gilt als Laborvariante für das erste Demonstrationskraftwerk, das die Staatengemeinschaft im südfranzösischen Cadarache errichten will. Die rund 4,6 Milliarden Euro (!) teure Anlage mit dem Namen ,Iter’(= International Thermonuclear Experimental Reactor) soll voraussichtlich in 20 Jahren mit Kernfusion Strom produzieren, wobei die Wissenschaftler davon ausgehen, daß die ersten kommerziellen Fusionskraftwerke ab der Jahrhundertmitte ans Netz gehen können. Soll, könnte und würde – und dafür fließen die Milliarden. Ich glaube fest daran, daß uns spätere Generationen für völlig irre halten werden...


Doch wer brachte uns eigentlich das Feuer? Damals vor rund 750.000 Jahren, wie die Archäologen meinen? Äschylos antwortete darauf theogonisch-mythisch:

Prometheus, aus dem Göttergeschlecht der Titanen, Sohn des Japetos und der Klymene (auch Themes genannt), Bruder des Atlas, Vater des Deukalion.

Der älteren, bei Hesiod vorliegenden Sage nach übervorteilte Prometheus Zeus bei der Verteilung des Speiseopfers unter Göttern und Menschen. Als Zeus deshalb (?) den Menschen das Feuer vor­enthielt, entwendete es Prometheus vom Blitze des Zeus in einer hohlen, Narthex genannten Staude und brachte es auf die Erde. Darauf sandte Zeus den Menschen die Pandora und ließ Prometheus an einen Kaukasus-Felsen schmieden.

Ein Adler fraß ihm täglich die nachts nachwachsende Leber – als Sitz der bösen Begierden – ab.


Eine Darstellung, die ich als noch viel treffender empfinde, stammt aus einer SF-Story. Ein Mann wandert durch Hitze und Kälte der Wüste einer ‚zukünftigen Erde’ und erzählt seinen Freunden:

„Es gab einmal nur sehr wenige Menschen auf der Welt“, begann er, „und sie lebten in einem grünen, fruchtbaren Tal, wohin nie der Winter kam und das ganze Jahr hindurch die Gärten blühten. Sie verbrachten ihre Tage mit Lachen und Schwimmen und In-der-Sonne-liegen, und abends feierten und sangen sie und liebten sich, und das ging so ohne Unterlaß, jahrein, jahraus, und niemand wurde jemals krank oder litt an Hunger, und niemand starb je.

Trotz der Friedlichkeit ihres Daseins war ein Mann im Dorf unglücklich. Es hieß Faust und war ein ruheloser, intelligenter Mann mit scharfen, brennenden Augen und einem hageren, ernsten Gesicht. Faust fühlte, daß das Leben aus mehr bestehen mußte, als aus Schwimmen und Lieben und reife Früchte von den Bäumen pflücken. ‘Das Leben ist noch mehr’, sagte Faust beharrlich, ‘etwas, das wir nicht kennen, etwas, das sich unserem Zugriff entzieht, etwas, dessen Fehlen uns daran hindert, wahrhaft glücklich zu sein. Wir sind unvollständig.’

Die anderen hörten ihm zu und waren zuerst verwirrt, denn sie hatten nicht gewußt, daß sie unglücklich oder unvollständig waren; sie hatten die Leichtigkeit und Gelassenheit ihres Lebens für Glück gehalten. Aber nach einer Weile fingen sie an zu glauben, daß Faust recht haben mochte. Sie hatten nicht gewußt, wie leer ihr Leben war, bis Faust sie darauf hinge­wiesen hatte. Was können wir tun? fragten sie. Wie können wir erfahren, was es ist, das uns fehlt? Ein weiser, alter Mann meinte, sie könnten die Götter fragen. Sie bestimmten Faust also dazu, den Gott Prometheus aufzusuchen, der als Freund der Menschheit galt, und ihn zu befragen.

Faust ging quer über Tal und Berge, Fluß und Wälder, und erreichte endlich Prometheus auf dem sturmumtobten Gipfel, wo er wohnte. Er bat: ‘Sage mir, Prometheus, warum wir uns so unvollständig fühlen’. Der Gott erwiderte: ‘Das liegt daran, daß ihr den Gebrauch des Feuers nicht kennt. Ohne Feuer kann es keine Zivilisation geben; ihr seid unzivilisiert, und eure Barbarei macht euch unglücklich. Mit dem Feuer könnt ihr euer Essen kochen und vielerlei neuen, interessanten Wohlgeschmack genießen. Mit Feuer könnt ihr Metalle bearbeiten und wirksame Waffen und anderes Werkzeug herstellen.’ Faust bedachte das und sagte: ‘Aber wo können wir Feuer herbekommen? Was ist es? Wie wird es gebraucht?’

‘Ich werde euch Feuer bringen’, antwortete Prometheus. Dann ging er zu Zeus, dem größten der Götter, und sagte: ‘Zeus, die Menschen begehren Feuer, und ich erbitte deine Erlaubnis, es ihnen zu geben’. Aber Zeus hörte schlecht, und Prometheus lispelte arg, und in der Sprache der Götter waren die Wörter für Feuer und für Tod sehr ähnlich, so daß Zeus Prometheus mißverstand und sagte: ‘Wie seltsam von ihnen, so etwas zu begehren, aber ich bin ein gütiger Gott und verweigere meinen Geschöpfen nichts, was sie ersehnen’. So erschuf Zeus eine Frau namens Pandora, tat den Tod in sie hinein und gab sie Prometheus, der sie mit in das Tal nahm, wo die Menschen lebten. ‘Hier ist Pandora’, sagte Prometheus. ‘Sie wird euch Feuer geben.’

Prometheus hatte kaum seinen Abschied genommen, als Faust vortrat, Pandora umarmte und bei ihr lag. Ihr Körper war heiß wie die Flamme, und während er sie in den Armen hielt, trat der Tod aus ihr heraus und in ihn hinein, und er schauderte und wurde fiebrig und rief in Ekstase: ‘Das ist Feuer! Ich habe das Feuer gemeistert!’ Noch in dieser Stunde begann der Tod ihn zu verzehren, so daß es schwach und dünn wurde, seine Haut vertrocknete und gelb wurde, und er zitterte wie Laub im Wind. ‘Geht!’ rief er den anderen zu. ‘Umarmt sie: Sie ist die Überbrin­gerin des Feuers!’ Und er wankte davon in die Wildnis jenseits des Tals und murmelte: ‘Dank sei Pro­metheus für diese Gabe’. Er legte sich unter einen großen Baum, und dort starb er, und es war das erste­mal, daß der Tod einen Menschen heimgesucht hatte. Und der Baum starb ebenfalls.

Dann umarmten die anderen Männer des Dorfes Pandora, einer nach dem anderen, und der Tod ging auch in sie, und sie gingen von ihr zu ihren eigenen Frauen und umarmten sie, so daß bald alle Männer und Frauen des Dorfes im Tod loderten, und einer nach dem anderen beendete sein Leben. Der Tod blieb im Ort, ging in alle, die lebten, und in alle, die aus ihren Lenden geboren wurden, und so kam der Tod in die Welt.

Danach traf bei einem Gewitter der Blitz den Baum, der mit Faust gestorben war, und ein Mann, dessen Name vergessen ist, stieß einen trockenen Ast in die Flammen und zündete ihn an, und er lernte, ein Feuer aufzuschichten und es in Brand zu erhalten, und danach kochten die Menschen ihr Essen und gebrauchten das Feuer, um Metalle zu bearbeiten, und so begann die Zivilisation. (84)


Man versuchte also, das Feuer zu bändigen und für sich einzuspannen, was in unserer Zeit mit der Dampfmaschine und ihren Nachfahren scheinbar auch gelungen ist. Erst seitdem die Auswirkungen dieser ‚Bändigung’ erfaßt sind, seitdem in Tabellenform statistisches Material über die steigenden Konzen­trationen von CO, SO2, NO2 und anderen ähnlich gefährlichen Substanzen vorliegt merkt der Mensch, daß sich das Feuer für seine Versklavung bitter rächt. Und deshalb würde ich die Geschichte folgendermaßen erzählen:

Das Lebenselement Feuer. Der älteste Freund des Menschen. Geachtet, gefürchtet und geheiligt. Feuer vereint Licht und Kraft. Feuer ist in der Erde, Feuer ist in der Sonne.  Das Feuer brachte dem Menschen Licht und Wärme und Sicherheit und Macht.

Doch vor rund 300 Jahren zerbrach diese Freundschaft. Der geachtete Freund wurde erst zum Diener, dann zum Sklaven degradiert. Denn immer größer wurde der Druck, den das Feuer erzeugen mußte, immer höher die Temperatur. Und immer abscheulichere Nahrung wurde ihm dargeboten. War es zu Beginn noch das lebendig gewachsene Holz, so kamen im Laufe der technologischen Entwicklung Kohle, Öl, Gas und schließlich Uran auf die Speisekarte – sowie Müll.

Und statt dem wunderbaren Geruch eines brennenden Holzscheits im Kamin, erstickt uns nun das 'Abgas' aus puren Giften.


Doch nicht nur die Abgase sind eine Gefahr für das atmende Leben auf unserem Planeten – sondern auch der Sauerstoffverbrauch, der mit jeder Art von Verbrennung einher geht. Es ist, als würde uns eine zweite, feindliche Spezies Konkurrenz machen, und ausgerechnet bei unserem allerwichtigsten Lebensmittel, der Atemluft!

In einem selten dramatischen Vorstellungsbild in meinem Kopf kämpfen der letzte Mensch und der letzte Verbrennungsmotor dieser Erde – um die letzte Flasche Sauerstoff...

 

Bleiben wir deshalb noch ein wenig beim Thema Feuer - in seinem neuen Wortkleid namens Energie.


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